Schwarmkreativität

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Auf 1 Blick

Schwarmkreativität baut auf dem Gedanken der kollektiven oder kollaborativen Kreativität auf und ist ein emergentes Phänomen, bei dem gestaltende, ideen- oder lösungsgenerierende Kapazitäten bzw. Verhaltensweisen eines "Superorganismus" (soziale Gemeinschaft, wie z.B. "Gruppe") diejenigen eines Individuums an Quantität, Vielfalt, Variabilität, Stimulation und Wirksamkeit übertreffen (nach Luther 2007).


Inhaltsverzeichnis

Historische Entwicklung

Angewandte Kreativität

Bislang tauchte der Begriff Schwarmkreativität vorwiegend im Kontext der angewandten Kreativität und Innovation auf; er entwickelte sich als eigenständig benanntes Phänomen aus der kollektiven oder kollaborativen Kreativität heraus.

Brainstorming

Eine frühe Formulierung des Grundgedankens der Kollektiven Kreativität, speziell in dem Feld der angewandten und problemlösenden Kreativität, findet sich bei Alex Osborn wieder (Osborn 1953). Osborn ging davon aus, dass, unter Kenntnisnahme und Verfolgung bestimmter Regeln, eine Gruppe in der Ideenproduktion einer Einzelperson immer überlegen sei, weil durch die gegenseitige Anregung mehr und variablere Ideen erzeugt werden. Dieser Gedanken liegt der, von Osborn entwickelten Kreativitätstechnik Brainstorming und vielen weiteren, auf dem Brainstorming-Prinzip basierenden Kreativitätstechniken zugrunde.

Neuere Untersuchungen zum Brainstorming konnten diese Vermutung zwar nicht belegen (Lamm / Trommsdorf 1973: Produktionsblockierung) (Stroebe 1981: Trittbrettfahrerhypothese) (Farr 1990: Nominale Gruppen)); stellten sie jedoch gleichzeitig fest, dass oftmals kein richtiges Brainstorming i.S.v. Osborn (Regeln, Vorgehensweisen, Rahmenbedingungen) durchgeführt wird (Rickards et al. 1988, Isaksen 1998), bzw. dass der Vorteil des Brainstormings auch in anderen, nicht-messbaren Faktoren, wie z.B. dem kollektiven Auftreten gegenüber einem Entscheidungsträger, liegt (Farr 1990).

6 Denkhüte

Auch der Ansatz des parallelen Denkens, das in der, von Edward de Bono entwickelten Methode der 6 Denkhüte zum Einsatz kommt (de Bono 1986), trägt Züge der kollaborativen Kreativität und kann daher als ein Vorläufer der Schwarmkreativität angesehen werden.

Nach de Bono lassen sich dann am ehesten erfolgreiche Lösungen erreichen, wenn eine Gruppe das, in vielen Sitzungen vorhandene, Konkurrenz- und Argumentationsdenken ausschaltet, das de Bono auf die Beeinflussung durch die griechische Disputkultur, die darauf aufbauende Dialektik und das Primat des logischen Denkens zurückführt. Stattdessen soll das, von de Bono vorgeschlagene parallele Denken sowohl einen Raum bieten für den Austausch von Argumenten, wie auch gleichzeitig die Lösungskapazitäten einer Gruppe durch die Struktur des Prozesses bündeln. Anders als beim "Groupthink", bei dem eine Gruppe dazu neigen kann, einseitig in eine Richtung zu denken und abweichende Meinungen zu negieren, geht es beim parallelen Denken darum, alle Positionen gleichermaßen zu berücksichtigen und kollaborativ zu behandeln.


Neuere Konzepte

Schwarmkreativität als partizipative Kreativität im Internet

Neuere Konzepte bringen Schwarmkreativität insbesondere mit dem Internet und der kollektiven elektronischen Entwicklung von Ideen in Zusammenhang (elektronisches Brainstorming: Dennis & Valacich 1993, Valacich, Dennis & Connolly 1994) (Brainwriting: Paulus & Yang 2000). Dabei wird hier unter Schwarmkreativität die, mittels elektronischer Hilfsmittel vernetzte, partizipative Form der Ideengenerierung verstanden; dieses Konzept bezieht sich vor allem auf einen speziellen methodisch-medialen Aspekt der Kreativität.

Sozio-kultureller Ansatz

Miell und Littleton verstehen kollaborative Kreativität als einen, von sozio-kulturellen Faktoren geprägten Ansatz (Miell/ Littleton 2004), der sich durch eine große Bandbreite an unterschiedlichen kreativen Feldern, wie Musikkomposition, Business, Kunst, Mode, Theaterproduktion und vielen mehr hindurch ziehen kann. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Bewusstsein der Bedeutung sozialer Prozesse; kollaborative Kreativität in diesem Sinne wird Kreativität verstanden als eine von Kultur, Institutionen und zwischenmenschlichen Kontakten geprägte Fähigkeit, die zugleich wiederum formenden Einfluss auf eben diese Aspekte ausübt.

Senge

Senge spricht von der kollektiven Kreativität auf einer hohen, über problemlösende oder angewandte Kreativität hinausgehenden Ebene; er versteht darunter das Phänomen, dass Menschen "manchmal auf fast magische Weise gemeinsam etwas schaffen, das Leben, Kraft und Schönheit beinhaltet" (Senge 2005). Er führt zahlreiche Beispiele an, die aus den Bereichen Sport, Symphonieorchester, Ballett und weiteren darstellenden Künsten kommen und führt diese Erscheinungen auf eine verbindende Kraft zurück, die Menschen, Gruppen und Kulturen immer wieder entfalten; dabei merkt er an, dass in der heutigen Zeit viele Personen eher Zuschauer als Aktiver beim Auftreten solcher Phänomene sind und hält ein Plädoyer dafür, dass das Potenzial der kollektiven Kreativität heute (wieder) mehr ausgeschöpft werden kann.

COINs

Gloor fokussiert auf den Aspekt der lösungsorientierten Kreativität und Innovation unter einem methodischen Gesichtspunkt; er versteht unter Schwarmkreativität die kollaborative Kreativität von Menschen in einer Gruppe, realer (z.B. Team) oder virtueller (z.B. in einem Open Innovation Process) Natur, mit oder ohne Einbezug des Internets, und bei der "Eine Gruppe von einzelnen Organismen oder Individuen ohne zentrale Steuerung (d.h. “von oben”), aber durch Kommunikation miteinander, bestimmte Aufgaben, die der Einzelne so nicht hätte lösen können, erledigt" (Gloor 2005). Ein wesentliches Element dabei ist, dass alle Aktivitäten auf der Basis von Selbstorganisation und meist einer hohen intrinsischen Motivation erfolgen; primäre Antriebsfaktoren sind oft: "Zusammensein mit gleichgesinnten Personen", "gemeinsam etwas Neues schaffen" und "etwas Bedeutsames tun".

Zentraler Aspekt dieses Innovations-Ansatzes sind die COINs (COllaborative Innovation Networks - deutsch: Kollaborative Innovations-Netzwerke); als COIN wird die kollaborative Struktur verstanden, durch die die individuelle Kreativität in jedem Umfeld (Unternehmen, Gesellschaft, Städte, ...) in Form von selbstorganisierten, eigenständigen und miteinander vernetzbaren Kleingruppen, virtuellen Teams und Netzwerken zusammengeführt und durch diese vervielfältigt werden kann.

Luther

Luther definiert Schwarmkreativität im Rahmen des Kreativität 2.0-Ansatzes als die kreative Leistung einer Gruppe, die aus sich selbst heraus, der Umgebung oder dem Prozess in einen schöpferisch-gestaltenden Flow-Zustand gerät und gemeinsam eine originelle Leistung vollbringt oder ein geniales Werk erschafft, wobei das Ergebnis die individuelle Leistungsfähigkeit der einzelnen Beteiligten bei weitem übersteigt (Luther 2007).

Diese Form der Kreativität ist gekennzeichnet durch 4 Faktoren:

  • Selbstverständliche Leichtigkeit der Ausführung
  • Sich selbst erhaltendes Tun in Hingabe
  • Harmonie (von Intentionen, Aktivitäten, Kompetenzen, Werten)
  • Natürliches Synergiebestreben aller Beteiligten durch Akzeptanz, Förderung und Nutzung individueller Unterschiede

Nach Luther kann das Phänomen der Schwarmkreativität in allen Feldern der Multiplen Kreativitäten auftreten; Beispiele schöpferisch-kollaborativer Leistungen sind Teamleistung im Sport, Aufführung von Symphonieorchestern und Chören, Darbietungen eines Schauspielerensembles (Theater, Musical, Oper), Choreografie einer Ballettgruppe, Überlebensgestaltung einer gestrandeten Gruppe, Entwicklung eines neuen Design durch eine Projektgruppe, Entwurf einer Kampagne durch ein Werbeteam u.v.W.m..


Vorteil

Der Vorteil des Schwarmkreativitäts-Ansatzes ist, dass er feldabhängig, je nach Autor, diese besondere Form der Kreativität als ein induzierbares Gruppenphänomen beschreibt, das einzigartige Ergebnisse unterschiedlicher Prägung hervorbringen kann, und dass er dieser Form der Kreativität einen hohen Stellenwert, auch gegenüber der individuellen Erscheinungsform, einräumt.


Literatur

  • Edward de Bono: Six Thinking Hats. New York 1986
  • Peter Gloor: Swarm creativity. New York 2005
  • Gloor/ Kraus/ Nann: Coolfarming. in Hornung/ Prähauser: Innovationskompetenz im digitalen Netz. Salzburg 2009. ISBN 3902448148
  • Michael Luther: Leonardo goes business – how to tap the creative intelligence. Köln 2007
  • Michael Luther: Kreativität 2.0 im Web 2.0: Ein Raum für kreatives Lernen? in: Hornung-Prähauser/ Luckmann (Hrsg.): Kreativität und Innovationskompetenz im digitalen Netz. Salzburg 2009. ISBN 3902448148
  • Miell/ Littleton: Collaborative Creativity: Contemporary Perspectives: Socio-cultural Accounts. 2004
  • Alex F. Osborn: Applied Imagination - Principles and Procedures of Creative Problem Solving. New York 1957
  • Peter Senge in Brown/ Isaacs: The World Cafe. San Francisco 2005


Weblinks

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