Gedächtnis
Im Gegensatz zum Gehirn stellt das Gedächtnis kein Organ von Lebewesen dar, sondern eine reine Funktion; es definiert sich als die Fähigkeit des Nervensystems, aufgenommene Informationen (z.B. erlerntes Wissen) zu behalten/zu speichern, zu ordnen, zu verknüpfen und wieder abzurufen/zu erinnern.
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Inhaltsverzeichnis |
Ausführungen
Definition
Bei dem Gedächtnis handelt es sich nicht um ein Organ, sondern um eine Funktion; mithin ist auch die Beschreibung funktionaler, modellhafter Natur.
Funktion
Die "Gedächtnis-Funktion" definiert sich als die Fähigkeit des Nervensystems, aufgenommene Informationen (z.B. erlerntes Wissen) zu behalten/zu speichern, zu ordnen, zu verknüpfen und wieder abzurufen/zu erinnern.
Erhöhung der Gedächtnisleistung
- Eine Möglichkeit, die Leistung der Informationsspeicherung zu erhöhen, besteht in der Vermehrung der dafür vorgesehenen Elemente;
- eine andere Möglichkeit ist, die Verbindungen zwischen solchen Elementen/ Regionen zu ändern/ ergänzen bzw. zu variabilisieren.
Ablaufschritte
"Gedächtnis" ist eine umfassende Bezeichnung für die Leistungen, Bedingungen und Grenzen des Einprägens, Behaltens, Wiedererkennens und Erinnerns von Erfahrungen.
Im Einzelnen beinhaltet das ua. folgende Anteile und Funktions-Schritte:
- Informationsaufnahme aus der Umwelt mittels Sinnesorganen;
- Informationsauswahl (Filterung);
- Informationsspeicherung (Anlegen einer "Gedächtnisspur": Engramm), entweder vorübergehend oder dauerhaft;
- Verknüpfung der Informationen mit anderen Informationen;
- Informations-Reaktivierung (Ekphorie) und Erinnerung.
1. Informationsaufnahme aus der Umwelt mittels Sinnesorganen
2. Informationsauswahl (Filterung)
3. Informationsspeicherung
Engramm
Unter Engramm wird eine "Gedächtnisspur" (physiologische Spur) verstanden, die eine Reizeinwirkung als dauernde strukturelle Änderung im Gehirn hinterlässt; alle Engramme in einem Gehirn zusammen ergeben das Gedächtnis.
Einfluss auf Qualität und Dauerhaftigkeit eines Engramms haben ua. folgende Faktoren: * Reizintensität, -umfang, -dauer, -frequenz * Anzahl der angesprochenen/ involvierten Sinnessysteme * Wiederholungsfaktor * Verknüpfung mit bekanntem Wissen * Fehlen von internen und externen Interferenzen * u.W.m..
4. Verknüpfung der Informationen mit anderen Informationen
5. Informations-Reaktivierung (Ekphorie) und Erinnerung
Modelle
Gedächtnismodelle sind theoretische Konstrukte, die den Aufbau des Gedächtnisses darstellen sollen; dabei wird das Gedächtnis in verschiedene theoretische Systeme/Konstrukte unterteilt.
Mehrspeichermodell
Die heute (Stand 2022) noch gültige modellhafte funktionale Dreiteilung des Gedächtnis' geht zurück auf das Mehrspeichermodell (auch Drei-Speicher-Modell genannt, bzw. auch nach den Entwicklern "Atkinson-Shiffrin-Modell"), das von den Psychologen Richard C. Atkinson und Richard M. Shiffrin 1968 vorgeschlagen wurde, um den Prozess der Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung beim Menschen, und den Prozess der Erinnerungsbildung zu erklären. Das Modell wird bis heute als Grundlage benutzt; es trifft im Wesentlichen eine Gedächtnisunterscheidung aufgrund der Speicherdauer, und wurde über die Jahre dem jeweiligen Wissensstand entsprechend immer wieder ergänzt und weiter verfeinert.
Dem aktuell gültigen Modell nach besteht das Gedächtnis aus drei Subsystemen (von unterschiedlicher Speicherdauer):
- Ultrakurzzeitgedächtnis (auch Immediatgedächtnis oder sensorisches/r Gedächtnis/ Speicher; flüchtiger Speicher für unmittelbar eingehende sensorische Informationen/ Sinneswahrnehmungen);
- Kurzzeitgedächtnis (Auch Arbeitsspeicher genannt; Speichersystem mit begrenzter Kapazität zur Zwischenspeicherung der (Sinnes-)Informationen, die durch den Mechanismus der Aufmerksamkeit in das KZG übergehen);
- Langzeitgedächtnis (unbegrenzt aufnahmefähiger und zeitüberdauernder (Fest-)Speicher).
Ultrakurzzeitgedächtnis
Dieser Funktionsteil wird auch als Immediatgedächtnis, sensorisches Gedächtnis, sensorischer Speicher oder Ultrakurzzeitspeicher bezeichnet. Es handelt sich um einen flüchtigen Speicher für ausgewählte unmittelbar eingehende sensorische Informationen (mithin Sinneswahrnehmungen), der nur die für wichtig erachteten Sinnes-Reize und Informationen kurzzeitig (Millisekunden/Zehntelsekunden bis wenige Sekunden) speichert.
Das sensorische Gedächtnis ist für jede Sinnesmodalität spezifisch; so spricht man u.a. auch vom ikonografischen Gedächtnis für das visuelle System und vom echoischen Gedächtnis für das auditive System.
Wenn eingehende Informationen entweder nicht als bedeutend anerkannt oder aber durch Störungen (Interferenzen) überlagert werden, gelangen sie nicht bis ins Kurzzeitgedächtnis.
Kurzzeitgedächtnis
Das Kurzzeitgedächtnis, auch Arbeitsgedächtnis genannt (oder "KZG" abgekürzt), ist der erste bewusste Teil des Gedächtnisses; es steht (obgleich störanfällig) im Zentrum der bewussten Informationsverarbeitung und erhält einkommende Informationen aus dem sensorischen Gedächtnis. Es speichert diejenigen einkommenden Informationen, die durch den Mechanismus der Aufmerksamkeit hierin übergegangen sind, etwa 20-45 Sekunden lang.
Langzeitgedächtnis
Das Langzeitgedächtnis, auch Langzeitspeicher genannt (oder "LZ"/ "LZG" abgekürzt), ist derjenige funktionelle Gedächtnisteil, in dem Eindrücke und Erinnerungen dauerhaft abgespeichert werden.
Weitere Konzepte
Lern- und Vergessenskurve
Das Konzept der Lern- und Vergessenskurve wurde 1897 von dem Psychologen Adolf Jost geprägt.
Priming
Priming (Bahnung) bezeichnet in der Psychologie die Beeinflussung der Verarbeitung eines Reizes dadurch, dass ein vorangegangener Reiz implizite Gedächtnisinhalte aktiviert hat.
Präattentive vs. attentive Sinnes-Wahrnehmung/ Informations-Verarbeitung
Speziell in der Wahrnehmungs- und Gedächtnispsychologie gebräuchliche Termini/Konzeptionierung und Differenzierung:
- Präattentive Wahrnehmung: Vorbewusste, unterschwellige Wahrnehmung von Sinnesreizen ohne bewussten Aufmerksamkeitseinsatz; Bezeichnung für das Phänomen, das ein Reiz vom Sinnessystem/Nervensystem einer Person intuitiv wahrgenommen wird und einen Effekt auslöst, aber nicht ins Bewusstsein dringt (klassisches Beispiel ist die alltägliche Wahrnehmung, die aus der Fülle der effektiv vorhandenen Reize nur die potenziell wichtigen herausfiltert).
- Attentive Verarbeitung: Bewusste und gezielte Aufnahme und Verarbeitung von Sinnesreizen.
Interferenzen
Bei Interferenzen handelt es sich im Allgemeinen um die Erscheinung, dass ein psychischer Prozess durch einen gleichzeitigen anderen Prozess gehemmt oder gelöscht werden kann.
In der Gedächtnispsychologie versteht man darunter konkret unterschiedliche Formen der Lern- u./o.Gedächtnisbeeinflussung/ -hemmung/ -störung.
Körpergedächtnis
Insbesondere im Kontext "Sport" (namentlich dem Leistungs- und Hochleistungssport) und "Bewegungslernen" ist das Konzept des "Körpergedächtnis'" von großer Bedeutung. Das Körpergedächtnis ist die Summe der durch multisensorische Wahrnehmung, sowie soziale u.W.m. Einflüsse entstandenen Erfahrungen und neurologischen Muster des Körpers. Dabei werden die über die Sinnesorgane aufgenommenen Eindrücke im Verbund mit Emotionen und Bewegungsmustern als implizite Gedächtnisinhalte abgespeichert; das führt im positiven/erwünschten wie auch im unerwünschten Fall zur dauerhaften Speicherung von korrekten (wie leider auch falschen) Techniken, Bewegungsmustern und Automatismen.
Gesundheitliche Beeinträchtigungen
Neben diversen externen Inhibitoren (wie z.B. Alkohol oder Drogen) können zahlreiche gesundheitliche Einschränkungen, akute u./o. chronische Erkrankungen wie auch kognitive Beeinträchtigungen zu Leistungseinbußen bis hin zur Schädigung von Wahrnehmungs-, Aufmerksamkeits- u./o. Gedächtnisfunktionen und somit in Summe zur Beeinträchtigung von. Gedächtnisleistungen führen.
Neurokognitive Störungen
Unter neurokognitiven Störungen (NCD) werden Erkrankungen/Beeinträchtigungen zusammengefasst, deren Hauptmerkmale kognitive Einbußen in den Bereichen Aufmerksamkeit, Exekutivfunktionen (Kontrolle und Selbstregulierung des Verhaltens), Lernen und Gedächtnis, Sprache, soziale Kognition u./o. im perzeptiv-motorischen Bereich sind.
Stellvertretend für viele andere internen Schädigungen seien hier nur die oft im Alter auftretenden Beeinträchtigungen/Erkrankungen Demenz, Alzheimer, sowie weiterhin auch Depression genannt, die zu kognitiven Einbußen, einer Verschlechterung der Gedächtnisleistung oder sogar zu partiellem oder totalem Gedächtnisverlust führen können.
Gedächtnis-Training
Ein wirksames Gedächtnis-Training kann, je nach vorliegenden Voraussetzungen und Anforderungen an unterschiedlichen "Funktions-Punkten" des "Gesamtkomplexes Gedächtnis" ansetzen. Das detaillierte Wissen um und die Identifizierung von etwaige/n Defizite/n ist daher Voraussetzung für eine erfolgreiche Intervention.
Namensalternativen
Eine noch immer gebräuchliche Namensalternative für das Gedächtnis ist der Begriff Mnestik (aus dem altgriechischen entlehnt).
Kreativität und Gedächtnis
Ein gutes Gedächtnis fördert die Kreativität und umgekehrt. Insbesondere Prozesse wie "Lernen und Erinnern", die Verschiedenartigkeit der "Informationsbehandlung" (inkl. Aufnahme und Verarbeitung), wie auch das "Ausdenken immer neuer Lösungen" führen dazu, dass im Gehirn neue Verbindungen und auch ungewöhnliche Verknüpfungen mit bekanntem Wissen angelegt werden; diese kommen wechselweise auch der Gedächtnisleistung zugute.
In Summe: Kreativität lässt sich bis ins hohe Alter hinein trainieren und (weiter-)entwickeln - das Gedächtnis auch.
Bekannte Namen
Bekannte Namen bezogen auf "Gedächtnis" und "Gedächtnisforschung" sind ua. Richard C. Atkinson und Richard M. Shiffrin, Adolf Jost, Eric Kandel und Hermann Ebbinghaus.
Weiterhin wurde im Kontext "Lernen und Gedächtnisleistung" insbesondere auch Frederick Vester durch seine Theorie der Lernbiologie und das Postulat der verschiedenen Lerntypen (i.S.v. Informationsaufnahmepräferenzen) auf dem Gebiet der Gedächtnisforschung und -publikation weltbekannt.
Literatur (auszugsweise)
Fachliteratur
- Eric Kandel: Auf der Suche nach dem Gedächtnis: Die Entstehung einer neuen Wissenschaft des Geistes. Pantheon-Verlag 2007.5.
- Frederic Vester: Denken, Lernen, Vergessen. Stuttgart 1997.24.
- Thomas Gruber: Gedächtnis (Basiswissen Psychologie). Springer 2.2018.
- Hermann Ebbinghaus: Über das Gedächtnis: Untersuchungen zur experimentellen Psychologie. WBG 2011.
- Martin Korte: Wir sind Gedächtnis: Wie unsere Erinnerungen bestimmen, wer wir sind. Pantheon-Verlag 2019.
- Adolf Jost: Die Assoziationsfestigkeit in ihrer Abhängigkeit von der Verteilung der Wiederholungen. hansebooks 2016 (Reprint des Originaltitels von 1897)
Trivialliteratur
- Erich Kasten: Progressives Gedächtnis- und Konzentrationstraining. borgmann Media 2014.
- Pascale Michelon: So bleibt Ihr Gedächtnis fit!: Das visuelle Trainingsbuch mit 200 Übungen. Dorling Kindersley Verlag 2019.
- Christiane Pröllochs: Mehr Gedächtnistraining für ältere Menschen: Das große Praxisbuch mit umfangreichem Übungsmaterial. Tectrum Wissenschaftsverlag 2016.
- Sébastien Martinez: Das Geheimnis des unfehlbaren Gedächtnisses: Graphic Novel. Knesebeck Verlag 2020.
- Agnes Boos: Die 50 besten Spiele zum Gedächtnistraining mit Senioren. Don Bosco-Medien 2018.
- Gunther Karsten: Erfolgs-Gedächtnis: Wie Sie sich Zahlen, Namen, Fakten, Vokabeln einfach besser merken. Goldmann Verlag 10.2004.
- Karl Mangei: Erinnern Sie sich?: Einfaches Gedächtnistraining durch Wortergänzungen. Verlag MK 2018.