Kreativität, Geschichte
Kreativität als Eigenschaft ist so alt, wie die Menschheit selbst. Die Fähigkeit, mit neuen, vormals unbekannten Einfällen, Ideen und Lösungen aufzuwarten, zieht sich durch die Menschheitsgeschichte hindurch wie ein roter Faden und führte und führt immer wieder zu kleinen und großen Erfindungen. Die angewandte/ absichtliche Kreativität ist ein jüngerer Zweig innerhalb der Gesamtdisziplin Kreativität und im Gegensatz etwa zu Feldern wie Kunst, Werbung und Design noch immer nicht vollständig etabliert. Nachstehend erfolgt ein kurzer Abriß über die Geschichte der Kreativität unter besonderer Berücksichtigung der absichtlichen/ angewandten Kreativität.
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Historischer Abriß
Als Begriff ist Kreativität insgesamt relativ jung; sie tauchte erst in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts im Duden und in der Umgangssprache auf; zuvor waren es Begrifflichkeiten wie "Phantasie", "Ideen", "Imagination" und weitere, die als Platzhalter und Stellvertreter für Kreativität fungierten. Lange Zeit stand der Begriff auch nur für die künstlerische Form von Kreativität und wurde synonym gebraucht für alle schöpferischen Berufe. Anfangs waren damit nur Künstler und Kunstschaffende gemeint; später wurde der Bereich auch ausgedehnt auf die Werbebranche ("die Kreativen"), auf Designer und auf weitere Berufszweige, die mit schöpferischen Leistungen in Verbindung gebracht wurden (z.B. Schriftsteller).
Der Begriff der kreativen Ökonomien, der in Deutschland 2009 geprägt wurde ist in etwa deckungsgleich mit der, von Richard Florida propagierten Kreativen Klasse. Er umfasst weitere kreativschaffende Berufszweige, wie z.B. Spieleentwickler, berichterstattende Berufe (Presse, Rundfunk), die Filmindustrie und die darstellenden Künste. Weitere Bereiche dagegen, wie z.B. Erfinder, Innovationsschaffende, Ideenmanager, Kreativitätstrainer, die Bastelindustrie (die, gemessen an den Hitzahlen bei Google einen der vordersten Plätze einnimmt, wenn es um Kreativität geht) und Kinderausbildende und -erziehende Berufe stehen auch heute noch immer auf der Warteliste der Anerkennung und der Aufnahme in den kreativen Fächerkanon, den Luther mit den Multiplen Kreativitäten definiert hat.
Ein Feld davon ist die angewandte Kreativität, auch als absichtliche Kreativität bezeichnet, die durch Guilford (1950) und Osborn (1953) offiziell definiert wurde, und die sich als eine übergreifende Form der Kreativität in viele Lebensbereiche und Anwendungsfelder erstreckt. Ihre Geschichte lässt sich in verschiedene Entwicklungsstufen und Abschnitte unterteilen:
- Kreativität 0.5
- Kreativität 1.0
- Kreativität 1.5
- Kreativität 1.75
- Kreativität 2.0
Kreativität 0.5
Kreativität 0.5 wird heute als die vorgeschichtliche Zeit der absichtlichen Kreativität angesehen, die Zeit, in der Kreativität gänzlich unerforscht war und lediglich höheren Mächten, als sogenannter "göttlicher Funke" vorbehalten war. Kennzeichen dieser Ära, die sich vom Mittelalter bis weit in die Neuzeit erstreckte, war eine Bewunderung großer kreativer Leistungen, die gleichzeitig aber als nicht erklärbar und beeinflussbar angesehen wurden. Ein klassischer Mythos aus dieser Zeit: "Man hat es oder man hat es nicht".
Kreativität 1.0
Die Geschichte der absichtlichen Kreativität 1.0, von vielen auch als "gegenwärtige Kreativität" bezeichnet, begann im Jahr 1950 mit einer eindrucksvollen Antrittsrede, die J.P. Guilford am 5. September vor der APA (American Psychological Association) hielt. Sie wird heute allgemein als Markstein in der Kreativitätsforschung angesehen und transportierte die, seinerzeit epochale Erkenntnis als Botschaft an ein Publikum von Experten, die der bis dahin vorherrschenden "einsamen Begabten-Ansicht" diametral entgegenstand: "Jeder Mensch ist von Natur aus kreativ!" Diese Aussage markierte einen Wendepunkt und leitete die Goldene Ära von Kreativität ein; waren laut Guilfords Untersuchungen in 25 Jahren zuvor von 121.000 psychologischen Arbeiten nur etwa 186 relevante Titel zum Thema Kreativität verfasst worden, so stieg diese Zahl in den folgende Jahren stark an.
Drei initiale Eckpunkte werden aus heutiger Sicht dafür verantwortlich gemacht:
- Guilfords Rede vom 5.9.1950, in der er die natürliche Disposition jedes Menschen für Kreativität postulierte
- Die allgemein als "Sputnick-Schock" bezeichnete Tatsache, dass die Russen den Wettlauf ins All gewannen und im Jahre 1958 den ersten künstlichen Satelliten in den Orbit beförderten
- Die 4 Ps von Mel Rhodes 1961, die als eine erste ernsthafte Gliederung des Konstruktes Kreativität angesehen werden können
Kreativität 1.5
Kreativität 1.5 wird auch als die Zeit der "Kambrischen Wissensexplosion" in der angewandten Kreativität bezeichnet. Sie begann Mitte der sechziger Jahres des 20. Jahrhunderts und hatte ihre Blütezeit in den siebziger und achtziger Jahren; eine große Anzahl neuentwickelter kreativer Techniken, Methoden, Konzepte und Modelle markierten die Meilensteine dieser Ära und legten den Grundstein für die seriöse und bewusste Nutzung von Kreativität in, zuvor nicht oder nur unsystematisch tangierten, Bereichen wie Werbung, Design oder weiteren Wirtschaftszweigen.
Folgende ausgewählte Techniken und Konzepte (in alphabetischer Reihenfolge) stehen stellvertretend für viele Ansätze dieser Zeit, in der Techniken ein Synonym für absichtliche fortschrittliche Entwicklung stand.
- CoRT-Programm (Peter de Bono)
- CPS (Alex Osborn/ Sid Parnes)
- Kreative Archetypen (Roger von Oech)
- Laterales Denken, Sechs Denkhüte, paralleles Denken, DATT-Serie (Edward de Bono)
- Mindmapping, radiantes Denken (Tony Buzan)
- Morphologischer Kasten (Fritz Zwicky)
- Synektik (William J.J. Gordon/ George Prince)
- TRIZ (Genrich S. Altschuller)
Kreativität 1.75
Kreativität 1.75 ist gekennzeichnet durch eine Kehrtwende in der angewandten/ absichtlichen Kreativität; lag der Fokus zuvor noch primär auf der Entwicklung neuer Techniken, so wandte sich die Aufmerksamkeit nun immer mehr einem ganzheitlicheren Verständnis und, neben dem kreativen Prozess, auch weiteren definierten Komponenten der Kreativität zu. Stellvertretend für viele Erkenntnisse und Modelle stellen folgende Eckpunkte eine bedeutsame Markierung neuer Forschungsfelder und -ergebnisse dar:
Kreativität 2.0
Kreativität 2.0 ist die Bezeichnung für die jüngste Entwicklungsstufe von Kreativität, die von Luther 2009 geprägt wurde. Sie fasst die bekannten Wissenskonzepte zu Kreativität umfassend und feldübergreifend zusammen, markiert einen neuen Reifegrad und begründet fundiert einen Status als eigenes Fachgebiet. Der Ansatz definiert sich durch ein integral-systemisch-funktionales Verständnis von Kreativität und umfasst 7 Dimensionen:
- Unifying Field Theory of Creativity: Generelle Feldtheorie und konzeptionelles Rahmenwerk
- Infrastruktur der Kreativität: Dimensions-Definition und System-Landkarte
- New Code Creativity: Konzeption einer funktionalen Systematik, eines Expertenmodells und einer neuen deutschen Kreativitätsschule
- Multiple Kreativitäten: Interdisziplinäres Systemverständniskonstrukt
- Periodensystem der kreativen Arbeitstechniken: Ordnungssystematik
- Genom der absichtlichen Kreativität: Blaupause und mehrdimensionaler Bauplan des kreativen Raums
- KreAktivität: Praxismethodik und Handlungsmodell und -fahrplan