Split Brain-Mythos

Aus CreaPedia
Wechseln zu: Navigation, Suche
Auf 1 Blick

Split Brain-Mythos bezeichnet einen Kreativitätsmythos, nach dem, bei der bewiesenen anatomischen Zweiteilung des Großhirns, den beiden Hemisphären (Großhirnhälften) auch unterschiedliche Funktionen zugesprochen werden (namentlich der linken Großhirnhälfte logisch-analytische Funktionen und der rechten Großhirnhälfte intuitiv-phantasievolle Funktionen), mithin eine funktionale Zweiteilung behauptet wird, die vermeintlich auf die vielzitierten Untersuchungen von Roger Sperry zurückzuführen sei.

Noch spekulativer wird es als Steigerung, wenn etwa der rechten Großhirnhälfte zur Gänze das Attribut "Sitz der Kreativität"/ "die kreative Hälfte" zugeschrieben wird; diese Aussage, wie auch die behauptete funktionale Zweiteilung, ist zu keinem Teil von Sperrys Forschungen abgedeckt und kann nur auf eine extrem simplifizierte und fehlerhafte Definition des Begriffs "Kreativität" zurückgeführt werden!

-


Inhaltsverzeichnis

Gegenstand

Wie alle Mythen ist auch der Split Brain-Mythos, obwohl er auf einer bewiesenen Grundlage (Split Brain-Modell) beruht, ein generalisierender und vereinfachender Glaubenssatz, d.h. im Kern eine unbewiesene Vorannahme bzw. eine verallgemeinerndere subjektive Erfahrung.

Die zugrundeliegende Behauptung beruht einerseits auf den Untersuchungen von Sperry (die Sperry nachweislich gemacht hat, und die dem ganzen einen seriösen Anstrich geben sollen) - und andererseits auf kolportierten Funktionszuschreibungen, die Sperry selbst nicht getätigt hat!

Basis

Der Split Brain-Mythos hat sich u.a. im Feld der angewandten Kreativität auch dadurch verselbständigt, dass es weder der Kreativitätsforschung noch dem Kreativitätsmanagement bis heute (Stand 2020) gelungen ist, sich auf eine einheitliche Rahmendefinition bzw. ein einheitliches Begreifen des Konstrukts Kreativität und damit auch keiner Zuordnung zu definierten Arealen des Gehirns, zu verständigen.

Ferner beruht er auf den tatsächlich durchgeführten Untersuchungen des Neurologen Roger Sperry, in denen er zu dem nachweislichen Schluss kam, dass das menschliche Großhirn anatomisch betrachtet aus 2 Hälften besteht. Allerdings muss hierzu und zu den meist darauf aufbauenden Schlussfolgerungen angemerkt werden:

  1. Sperry selbst hat zu keiner Zeit Aussagen über eine funktionale Zweiteilung der Großhirnrinde getroffen. Diese Zuschreibungen fanden erst später statt und haben sich, quasi von Autor zu Autor, weiter verbreitet, bis sie schließlich als vermeintlich gesichertes Wissen galten. Nachfolgend haben, bis auf den heutigen Tag (Stand 2015) Generationen von Autoren von Kreativitätsbüchern voneinander abgeschrieben und diese (unbewiesene, spekulative und grob simplifizierenden) Aussage übernommen und meistens auch noch illustriert haben.
  2. Ferner hat Sperry seine Untersuchungen ausschließlich an Personen vorgenommen, die an Epilepsie erkrankt waren, was auch der Gegenstand seiner Forschungsarbeit war; allein dieser Umstand, so Sperry selbst, würde eine Übertragbarkeit auf gesunde Gehirne als vornehmlich spekulativ erscheinen lassen.

Konkrete Auswirkung

Die Auswirkungen sind, dass bis auf den heutigen Tag (Stand 2015) Generationen von Autoren von Kreativitätsbüchern voneinander abgeschrieben und, wie Legionen von Kreativitstrainern, diese (unbewiesene, spekulative und grob simplifizierende) Aussage übernommen und meistens auch noch illustriert haben, ohne sie vorher einmal fachkundig mit Neurologen abzuklären.

Nachfolgend haben Legionen von Kreativitätstrainern und Kreativitätsforschern diese Aussage als unumstößliches Paradigma übernommen, mit dem Ergebnis:

  • dass dieses vermeintliche Faktum in der überwiegenden Anzahl von Kreativitätstrainings als bewiesen hingestellt und gelehrt wird;
  • dass z.B. Kreativitätstechniken oder weitere kreative Komponenten (sogar von "Experten") speziell nach diesem Paradigma unterteilt werden;
  • dass nachfolgend und darauf zurückführend in vielen Bereichen von Kreativität eine vereinfachende Dualität vermutet wird und sich diese "Erkenntnis" i.S. einer selffulfilling prophecy oft bewahrheitet.


Aktueller Erkenntnisstand

Der aktuelle Erkenntnisstand der Kreativitätsforschung, wie vor allem auch der Neurologie ist:

  • Anatomisch lässt sich eine Zweiteilung des Gehirns nachweisen - funktional nicht.
  • Im Gegenteil: Aktueller Stand der Neurowissenschaften ist: Das Gehirn besteht aus einer Vielzahl von Zentren, deren Bedeutung noch weit davon entfernt ist, als erforscht zu gelten; nach derzeitigem Kenntnisstand besitzen diese Areale sehr unterschiedliche Aufgaben.
  • Nach neuesten neuroanatomischen Erkenntnissen sind einige Fälle von Menschen nachgewiesen und dokumentiert, die nur über eine einzige Gehirnhälfte verfügen; ebenfalls nachgewiesen ist in diesen Fällen, dass diese Personen über das volle Spektrum der Gehirnfähigkeiten verfügen, mithin, dass die verbliebene Gehirnhälfte offenbar in der Lage ist, ausgefallene Funktionen der anderen Hälfte zu substituieren; diese Funktion eines lernenden Organismus widerspricht nach Meinung der Neurowissenschaft allen einseitigen Spezialisierungstheorien.
  • Das Gehirn ist ganz sicher ein hochkomplexes Gebilde, dass in den allermeisten Funktionsbereichen weit über einer vereinfachenden Reduzierung auf eine Dualitätsfunktion hinausgeht.
  • Kreativität ist ganz sicher eine hochkomplexe Ressource, die mindestens "beide" Fähigkeiten benötigt, also sowohl eine intuitiv-phantasievolle, wie auch eine logisch-analytische, und darüberhinaus noch etliche weitere; jede für sich, in einem bestimmten Abschnitt des kreativen Prozesses wirkend, aber erst in Summe eine kreative Person ausmachend.


Allgemeiner Hintergrund

Prägung

Glaubenssätze sind generalisierende Vorannahmen über einen bestimmten Sachverhalt. Sie entstehen häufig durch:

  • ein einmaliges Erlebnis/ eine einmalige Erfahrung, die nachfolgend verallgemeinert wird;
  • Aussagen oder interpretierte Aussagen realer oder vermeintlicher Autoritäten;
  • Wiederholung;
  • in Prägungssituationen (Signifikanten Emotionalen Ereignissen).

Sie sind als solches oft nicht logisch herleitbar, sondern basieren auf der Verallgemeinerung subjektiver Erfahrungen oder vermeintlich wissenschaftlicher Erkenntnisse, die zu einer bestimmten Zeit einmal als wahr angenommen wurde und sich nachfolgend herausgebildet hat. Im Alltag oder in einem bestimmten Fachgebiet helfen Glaubenssätze oft dabei, sich in der Welt zu orientieren.

In Summe: Oft werden sie vehement vorgetragen, basieren auf vermeintlichen Expertenaussagen (Autoritäten), eigenen früheren Erfahrungen, einem allgemeinen Hörensagen oder individuellen Theorien, warum etwas so und nicht anders ist. Durch Wiederholungen im Denken, Reden und Handeln festigen sie sich oft im Sinne einer "selffulfilling prophecy" (einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung"). Durch keine der genannten Handlungen allerdings gewinnt ein Glaubenssatz an realer und bewiesener Glaubwürdigkeit und Aussagekraft, sondern bleibt ein Mythos.

Prinzip

Glaubenssätze haben die Fähigkeit, sich selbst zu erhalten. Solange die Hauptaussage erhalten bleibt, sind sie sehr anpassungsfähig und oft logisch nicht widerlegbar.

Orientierung

Glaubenssätze lassen sich in dem Modell der Neurologischen Ebenen der Persönlichkeit/Veränderung auf der 4. Ebene (Glauben/ Werte) lokalisieren.

Veränderung

Um Glaubenssätze, wenn gewünscht zu verändern, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, wie z.B.: Glaubenssatzveränderung, Musterunterbrechung, Reframing, Satir-Beliefänderung, Submodalitätenarbeit, Swish, Walking belief change u.A.m..

Hinweis: Zu allen Veränderungsmöglichkeiten sei darauf hingewiesen, dass es sich i.d.R. um einen tieferen Eingriff in die Persönlichkeit (und ihr individuelles "Bild von der Welt") handelt, der nur auf der Basis eines autonomen, selbstinitiierten Wollens vorgenommen werden sollte; eine Glaubenssatzveränderung sollte immer im Vorfeld mit einem Zielsatz und einem Ökologie-Check individuell vorbereitet werden.


Literatur


Einzelnachweise

Meine Werkzeuge
Namensräume

Varianten
Aktionen
Navigation
Kreativität im Fokus
Kreativer Prozess
Kreative Persönlichkeit
Kreatives Panorama
Anwendungsfelder
Ressourcen
Werkzeuge
Support