Brainstorming klassisch

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Auf 1 Blick

Das klassische Brainstorming* (nach Alex F. Osborn 1935, weiterentwickelt durch Charles H. Clark 1953) stellt mehr einen "Gattungsbegriff" für eine Gruppe von Ideenfindungs- bzw. Problemlösungstechniken dar, die in der 2. Phase (Ideengenerierung) im kreativen Prozess zum Einsatz kommen; als wesentlichstes Merkmal gilt das freie, spontane Gedankenäußern ohne unmittelbare Bewertung, um möglichst viele, neue und ungewöhnliche Ideen zu erzeugen. Gleichzeitig ist es eine Technik des freien Ideensammelns auf Zuruf, unter Beachtung einiger Grundprinzipien und Regeln; die Technik ist vor allem in einer Gruppe sinnvoll, kann aber auch einzeln zum Einsatz kommen.

Brainstorming
Urheber Alex F. Osborn

Charles H. Clark

Jahrgang 1935/

1953




Inhaltsverzeichnis

Technikbeschreibung

Ausführung

  • Zunächst wird eine Gruppe von 4-12 Personen zusammengestellt, die sich idealerweise heterogen zusammensetzt; größere Gruppen sind möglich, aber schwieriger zu handhaben.
  • Die Moderation bzw. die Leitung ist dafür zuständig, die Aufgabenstellung zu benennen bzw. zu visualisieren und sicherzustellen, dass sie von allen Anwesenden verstanden wird.
  • Vor dem Start des eigentlichen Brainstormings ist es wichtig, die Gruppe kurz mit der Technik selbst, der Vorgehensweise und den Spielregeln vetraut zu machen!
  • Die Aufgabenstellung kann in einer eigenstänmdigen Phase oder vor Beginn des Brainstormings erstellt werden. Sie wird, zweckmäßigerweise als Frage formuliert und für alle sichtbar visualisiert; wichtig: die Qualität einer Brainstorming-Sitzung steht und fällt mit einer konkreten, aufgabenbezogenen und ideenstimulierenden Fragestellung.
  • Die Festlegung einer sogenannten Ideenquote (zurückgehend auf Thomas Edison) kann einen positiven Erfolgsdruck erzeugen
  • Anschließend sammelt die Gruppe für eine festgesetzte Zeit soviele Ideen wie möglich, wobei alle Ideen auf lauten Zuruf hin für alle sichtbar aufgeschrieben werden; dabei stellt die Moderation sicher, dass alle Beteiligten gehört werden
  • Die Moderation/ Leitung soll sich der inhaltlichen Beteiligung enthalten; sie ist dafür veranwortlich, dass alle Ideen berücksichtigt werden und die Gruppensitzung im Rahmen der vereinbarten Regeln abläuft. Wenn notwendig, kann eine Stimulation der Gruppe erforderlich sein, um "ideenarme Phasen" zu überbrücken.
  • Wichtig: Die Bewertung der Vorschläge und nachfolgende Auswahl der besten Idee ist streng von der Phase der Ideenfindung zu trennen, weil sie zur Gänze andere Anforderungen an die Beteiligten stellt; diese Trennung kann durch eine Pause, eine Separations-Technik oder die Verlegung auf ein weiteres Treffen geschehen.

Regeln

Die ersten Brainstorming-Regeln gehen auf Osborns Brainstorming-Prinzipien zurück; sie wurden auch bekannt als die ursprünglichen Regeln des divergenten Denkens. Spätere Ergänzungen von Clark, Edison, Luther und anderen beruhten auf Osborns Leitlinien und verfeinerten bzw. ergänzten sie. Die Regeln in der Version des Brainstorming 2.0 sind:

  1. Quantität vor Qualität - je mehr, desto besser!
  2. Keine Kritik oder Bewertung - alles ist erlaubt!
  3. Visualisierung aller Ideen ist ein Muss!
  4. Anknüpfen ist erlaubt - es gibt kein geistiges Eigentum!
  5. Je ausgefallener, desto besser - Spinnen ist Pflicht!
  6. Rahmen ideenfördernd gestalten
  7. Ideenquote festlegen - als Zielvorgabe und Ansporn
  8. Geistiges Aufwärmen - zur Einschaltung des "Phantasie-Modus"
  9. Progressivität nutzen - um Reserven anzuzapfen

Voraussetzungen

  • 1 Gruppe (4-12 freiwillige TN); auch in größeren Gruppen möglich
  • 1 Moderation, die die Methode kennt - sowie bei größeren Gruppen mindestens 1 zusätzlichen Schreiber
  • Zeit: Mindestens 15 min. bis 45 min. empfohlen (bei Variationen auch länger)
  • Material: Flipchart, Stifte, Klebeband, ggf. 1 Aufzeichnungsgerät (z.B. Audiorekorder)
  • Visualisierung der Regeln
  • Ungestörte Atmosphäre (Räumlichkeiten)

Geschichte

Entwicklung

Brainstorming ist eine der klassischsten Ideenfindungstechniken; es wird, weil heute oft fälschlich angewandt, in seinem Wert unterschätzt. Die Ursprünge lassen sich etwa 400 Jahre zurückverfolgen bis in das alte Indien, wo eine vergleichbare Methode unter dem Namen Prai-Barshana bekannt war und von Hindu-Gelehrten angewandt wurde; Osborn benannte seine Neuentwicklung nach dem Prinzip dieser Methode, nämlich "using the brain to storm a problem" (deutsch: Das Gehirn nutzen, um ein Problem zu "erstürmen").

Prinzip

Viele weiterführende bzw. später entwickelte Kreativitätstechniken basieren auf den Verfahrensschritten und Regeln des Brainstormings und nutzen, zumindest in einem Verfahrensschritt, das zugrundeliegende Prinzip der freien Assoziation, um Ideen zu generieren. Das gilt insbesondere für die "Isotope" des Brainstormings, die sich z.T. durch die methodische und vor allem die dynamische Ausführung unterscheiden und jeweils einen speziellen Aspekt betonen oder hinzufügen; Beispiele hierfür sind:

  • das Brainwriting und seine Variationen, bei dem die Ideenfindung in ruhiger, schriftlicher Form stattfindet
  • das Brainwalking und seine Variationen, bei dem die Ideenfindung in bewegter Form stattfindet

* Namensvariationen

Im Laufe der Zeit sind viele Variationen mit eigenständigen Namen entstanden, wie z.B. Solo-Brainstorming, Quickstorming, Ideendusche, Quik Think, Free-form Brainstorming, Ideenwirbel, Freewheeling, Uncommon response technique, ...; das Prinzip und die Vorgehensweise ist bei einer überwiegenden Anzahl dieser Variationen identisch.

* Eigenständige Variationen und Weiterentwicklungen

Eine Reihe von Brainstorming-Variationen weist Merkmale der Eigenständigkeit auf.

  • Ein kleiner Unterschied besteht beim Rawlinson-Brainstorming (J. Geoffrey Rawlinson 1970) darin, dass die Lösungsvorschläge aus 2 Wort-Beschreibungen bestehen, wobei die Ideenzulieferer nicht miteinander interagieren oder aufeinander reagieren (sollen), sondern die Ideen nur unidirektional direkt dem Moderator zuspielen.
  • Das Koinonia (Michael Michalko 2001) unterscheidet sich in einem Punkt graduell von der klassischen Variante, indem es sich bewusst nur aus Spezialisten aus dem entsprechenden Fachgebiet zusammensetzt - im Gegensatz zu den meisten Brainstorming-Variationen, die bewusst die Hinzuziehung externer "Nicht-Fachleute" empfehlen.
  • Eine weitere von unzähligen Variationen, mit einer graduell eigenen Ausrichtung, ist das Value Brainstorming (Maury Smith 1977), bei dem die zugrundeliegenden Werte, z.B. die hinter Vorannahmen und Befürchtungen in Bezug auf ein Problem stehen, erfasst und als Ausgangspunkt eines erweiterten Problemverständnisses für nachfolgende neue Lösungssuchen genutzt werden.
  • Beim Questorming (Abk. für "Question Brainstorming"; nach John Roland 1985) geht es darum, Fragen (engl.: Questions)zu brainstormen, die dann als Ausgangspunkt für eine nachfolgende Ideenfindung oder auch für auszuarbeitende Aktionspläne genutzt werden.
  • Das Brainstorming Deluxe (Greg Bachmann 2000) umfasst die 5 Segmente Notwendigkeiten, Ziele, Ressourcen, Prozesse und Kommunikation, die den Ideenfluss strukturieren sollen und vernetzt bearbeitet werden.
  • Bei der Variante des Sandwich-Brainstormings wechseln sich Phasen der kollektiven (Gruppen-Brainstorming) und der individuellen (Einzel-Brainstorming) Ideenfindung ab.
  • Das imaginäre Brainstorming (Arthur F. Keller 1971) als Variation verändert einzelne Worte der Aufgabenstellung so, dass die gesammte Aufgabenstellung imaginär, übertrieben oder sogar bizarr formuliert wird.
  • Interessant ist ein neuer, etwa ab der Mitte der 2000er-Jahre entstandener Trend zum Online-Brainstorming (früher auch als Brainlining bekannt (nach Peter Lloyd 2005)), der unter dem Namen Open Innovation Einzug in den Sprachschatz vieler Unternehmen gefunden hat; dabei wird in den meisten Fällen eine Online-Plattform bereitgestellt, die eine einfache Brainstorming-Umgebung simuliert, die zur kollaborativen online-Ideenfindung genutzt werden kann. Der Vorteil ist, dass viele Teilnehmer simultan Ideen eingeben können, ohne räumlich zusammensein zu müssen; der Nachteil bei den meisten der aktuell existierenden Plattformen ist, dass sie über einen rudimentären Brainwriting-Ansatz nicht hinauskommen.
  • Die aktuelle Version, das Brainstorming 2.0 (nach Michael Luther) beinhaltet eine Kombination aus methodischen, didaktischen und organisatorischen Prinzipien, mit deren Hilfe die Technik an neue Erkenntnisse, z.B. der Neurologie und der Didaktik, angepasst wurde; das Format BAR-BBQ basiert auf diesen Prinzipien.

Ergänzungen

Vorbereitung

Zur Vorbereitung auf eine (moderne) Brainstorming-Sitzung wird oftmals Tage oder Wochen vorher ein Collective Notebook ausgegeben, um die Präferenz des individuellen Ideensammelns zu unterstützen.

Nachbereitung

Ebenso kann die Wirkung genutzt werden, dass manche Beteiligte erst nach einer Brainstorming-Sitzung ihre individuelle Inkubationsphase durchlaufen und zur Illumination kommen, indem ergänzend die Technik Creative Collaboration zum Einsatz kommt.

Einsatzgebiet

Eignung

Das Brainstorming eignet sich vor allem bei Problem- oder Aufgabenstellungen, denen eine "unscharfe Problemstellung" zugrunde liegt, die die Basis für viele unterschiedlichen Ideen bietet; Beispiel: "Wie lassen sich neue Kunden für das Produkt XY gewinnen?"

Kritik

Zahlreiche Untersuchungen wurden zur Wirkamkeit von Kreativitätstechniken durchgeführt, von denen sich die meisten auf das Brainstorming in seiner ursprünglichen Form, als die bekannteste aller Techniken, bezogen. Viele dieser Untersuchungen kamen zu einem ähnlichen Ergebnis (wie z.B. in einem Bericht in "Bild der Wissenschaft" 1/2005 beschrieben). Sie besagen, dass die traditionelle Brainstorming-Methode nachweislich nichts nütze und führen Studien an, die belegen, dass Kandidaten in Gruppen sich oft gegenseitig blockierten (didaktisch oder inhaltlich); so wurde erwähnt, dass Teilnehmer an Brainstormingsitzungen oft warten mussten, bis ein anderer ausgeredet hatte, was ihre Kreativität hemmte, und dass Einzelkämpfer oft mehr und/ oder bessere Eingebungen als die Gruppe gehabt hätten. Unbeschadet der Richtigkeit dieser Beobachtngen lässt sich feststellen, das in keiner Studie die Rahmenbedingungen organisatorischer, methodischer und didaktischer Art in die Untersuchung miteinflossen und die Durchführung eines möglichen "falschen" Brainstormings in den Ergebnisse unberücksichtigt blieb.

Da sich Brainstorming mittlerweile mehr zu einem Gattungsbegriff entwickelt hat als zu einer Technikbenennung, wird damit oft jede Art von Ideensitzung bezeichnet, bei der es um das Finden neuer Ideen oder Lösungen geht. Im Gegensatz zu der traditionellen Technik werden aber viele, selbst der ursprünglichen oder grundlegendsten Prinzipien und Regeln in zahlreichen "Pseudo-Brainstormings" nicht beachtet oder sind den Leitenden und Mitwirkenden nicht bekannt. Das Ergebnis sind häufig fehlerhafte Brainstormingsitzungen (im Sinne der ursprünglichen Technik), "Alibi-Brainstormings" und ungenügende Ergebnisse - und damit einhergehend auch die Verbannung des Wortes "Brainstorming" aus dem Vokabular der Beteiligten. Damit bleibt das Potenzial, das auch heute noch in dieser Technik steckt, sehr oft unausgeschöpft.

Vor- und Nachteile

Die ursprüngliche Form des Brainstormings kann folgende Vor- und Nachteile haben:

Vorteile

  • Viele Ideen können in kurzer Zeit gesammelt werden
  • Kann, richtig durchgeführt, eine Gruppe zu enormen geistigen Höhenflügen veranlassen
  • Leicht zu handhaben
  • Geringer Materialbedarf
  • Ortsunabhängig durchführbar
  • Initiierung und Nutzung von Synergieeffekten, vor allem in heterogenen Gruppen

Nachteile

  • Gewöhnungsbedürftig und daher nicht für jede Gruppe geeignet
  • Wird oft fehlerhaft durchgeführt (z.B. wird Kritik oder Bewertung an einzelnen Vorschlägen während der Phase der Ideenfindung zugelassen)
  • Unerfahrene Moderatoren brechen oft bereits nach kurzer Zeit ab, wenn erst zu wenige Ideen vorliegen
  • Die auftretende "Ruhephase" nach einem anfänglichen Ideensturm wird von weniger erfahrenen Moderatoren oft verwechselt mit einem Versiegen von Ideen, und wird als Grund genommen, die Sitzung zu beenden - obwohl die tieferliegenden Ideen oft erst in der nachfolgenden Vertiefungsphase geäußert werden.
  • Liegt schüchternen Teilnehmern eher weniger; die laute Äußerung "unbedachter" Ideen stößt in manchen Kulturkreisen (z.B. Japan) auf Widerstand
  • Zu große Gruppen führen oft dazu, dass die Meinung einzelner untergehen bzw. dass Teilnehmer nicht zu Wort kommen oder aus dem Prozess ausklinken
  • Weniger geeignet, wenn Spannungen im Team existieren oder die Gefahr besteht, dass der Vorsitzende oder andere Gruppenmitglieder einzelne „verrückte“ Beiträge (und ihre Äußerer) auf's Korn nehmen.


Literatur

  • Charles H. Clark: How to Create Successfull Ideas. Hollywood 1958
  • Linda C. Correll: Brainstorming Reinvented. Thousand Oaks 2007.2
  • James M. Higgins, Gerold G. Wiese: Innovationsmanagement. Springer-Verlag 1996
  • Alex F. Osborn: Applied Imagination - Principles and Procedures of Creative Problem Solving. New York 1953

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